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Der Film "Der Club der toten Dichter" im Pädagogik-Unterricht - Kapitel 4.1-4.2

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Der Film "Der Club der toten Dichter" im Pädagogik-Unterricht
Kapitel 2
Kapitel 3.1-3.3
Kapitel 3.3-3.5
Kapitel 4.1-4.2
Kapitel 4.3-4.4
Kapitel 5-6
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‘Der Club der toten Dichter’ im UFP-Unterricht (4)

 

Ich und mein Leben!

Die immer wiederkehrenden Fragen,

der endlose Zug der Ungläubigen,

die Städte voller Narren,

Wozu bin ich da? Wozu nützt dieses Leben?

Die Antwort: Damit du hier bist - damit das

Leben nicht zu Ende geht, Deine Individualität,

damit das Spiel der Mächte weiterbesteht,

und Du Deinen Vers dazu beitragen kannst!

Walt Whitman   (gekürzt,aus: ‚O Me! O life!’)

 Zunächst eine kurze Vorbemerkung: Der Film ‚Der Club der toten Dichter’ eignet sich nicht nur für den Einsatz im UFP-Unterricht, sondern kann in vielen anderen Unterrichtsfächern, wie beispielsweise in den Fächern Deutsch, Englisch oder Religion - je nach Wahl der unterschiedlichen Medien (Film bzw. Buch zum Film in deutscher Version oder Originalversion, vgl. Abschnitt 2.2) -, eingesetzt werden, wobei sich Möglichkeiten einer interdisziplinären Behandlung der Themen in unterschiedlichen Schulfächern sowie Chancen im Rahmen fächerübergreifenden Unterrichts ergeben können. Dieselben können an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft werden, da das Ziel dieser Hausarbeit darin besteht, eine speziell für das Unterrichtsfach Pädagogik zugeschnittene Unterrichtseinheit zum Film zu entwickeln. Im Zentrum dieser Unterrichtseinheit steht die Beschäftigung mit dem Film. Dies bedeutet nicht, daß eine Behandlung des ‚Clubs der toten Dichter’ über die Lektüre des Buches zum Film weniger gewinnbringend sein kann, ist jedoch eine andere alternative Vorgehensweise, die hier nicht weiter berücksichtigt werden kann.

In den folgenden Abschnitten wird eine derartige Unterrichtseinheit auf der Basis des Films entwickelt, wobei im Rahmen der didaktischen Analyse grundlegende Erwägungen bezüglich des Unterrichtseinsatzes des Films erörtert werden (4.1). In den folgenden Abschnitten werden die diesbezüglichen Methoden (4.2) und Lernziele (4.3) genauer benannt, bevor im Abschnitt 4.4 ein kurzer Überblick über eine mögliche Unterrichtseinheit gegeben wird.

Zu berücksichtigen ist dabei zum einen, daß bei der konkreten Ausarbeitung einer Unterrichtseinheit diese drei Perspektiven untrennbar miteinander verkoppelt sind und an dieser Stelle nur aus analytischen und systematischen Gründen getrennt betrachtet werden. Zum anderen soll diese Hausarbeit Anhaltspunkte für den Unterrichtseinsatz liefern. Eine vollständig ausgearbeitete Unterrichtseinheit mit stundenweisen Planungsskizzen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zum dritten fehlen bezüglich einer konkreten Ausarbeitung der Unterrichtseinheit wichtige Rahmendaten wie beispielsweise die geschlechtsspezifische Zusammensetzung der Schulklasse, in der die Einheit eingesetzt werden soll, Informationen zum Lernstand der Schüler, die bezüglich didaktischer Überlegungen beispielsweise zur Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung von Wichtigkeit sein können, sowie die Rahmenvorgaben bezüglich konkreter institutioneller Vorgaben, wie beispielsweise Absprachen in Fachkonferenzen oder die Möglichkeit, über mehrere Schulstunden einen Videorecorder einsetzen zu können. An dieser Stelle soll davon ausgegangen werden, daß der Einsatz des Films im Unterricht nicht auf medientechnische Probleme stößt sowie die didaktischen Voraussetzungen für die Unterrichtseinheit als gegeben angesehen werden können.

Da unterschiedliche Rahmendaten bezüglich unterschiedlicher Schulklassen differenzierte Vorgehensweisen beim Einsatz der Unterrichtseinheit sowie Änderungen im Ablauf bedingen können, sind die folgenden Planungen allgemein gehalten. Die Unterrichtseinheit besteht aus ‚Bausteinen’, die aufgrund von didaktischen Überlegungen ergänzt, abgeändert oder weggelassen werden können.

 

Didaktische Analyse (4.1)

In diesem Abschnitt sollen grundlegende Überlegungen zum Einsatz des Films ‚Der Club der toten Dichter’ im UFP-Unterricht angestellt werden. Dabei ist zunächst zu klären, in welcher Art und Weise der Film im Unterricht eingesetzt werden kann. (Die damit verbundenen (Lern)ziele werden unter 4.3 näher erläutert und sollen an dieser Stelle zunächst unberücksichtigt bleiben.)

Entschließt man sich dazu, eine Unterrichtseinheit auf der Basis des Films aufzubauen, so muß zunächst berücksichtigt werden, daß der Film ‚Der Club der toten Dichter’ mit einer Gesamtlänge von fast 120 Minuten ohne Kürzungen, die sich nachteilig auf eine auf der Basis von Ganzheitlichkeit geplanten Unterrichtseinheit auswirken können, in irgendeiner Weise im Unterricht gezeigt werden muß. Dazu bieten sich zumindest zwei sinnvolle Alternativen:

Fried schlägt vor, den Film den Schülern in voller Länge, möglichst außerunterrichtlich zu präsentieren, um „die Stückelung in 45-Minuten-Abschnitte zu vermeiden und einen ungestörten Gesamteindruck zu ermöglichen“ (Fried 1992, S. 53).

Alternativ kann es sinnvoll sein, den Film doch im Rahmen des Schulunterrichts zu präsentieren, wobei zumindest eine Unterbrechung an einer prägnanten Stelle in Kauf genommen wird.

Die hier vorgestellte Unterrichtseinheit soll auf der zweiten Alternative basieren: Da sowohl in Grund- als auch in Leistungskursen im UFP-Unterricht zumindest eine Doppelstunde pro Woche zur Verfügung steht, kann der Film in zwei Blöcke unterteilt präsentiert werden. In der ersten Doppelstunde werden die ersten 80 Minuten des Films ohne Unterbrechung angesehen, bis einschließlich der Szene, in der Neil Keating aufsucht, um Rat zu holen, da ihm sein Vater das Theaterspiel untersagt hat (vgl. 2.1). Nach dieser Szene ist der katastrophale Verlauf der Handlung noch nicht voll antizipierbar, so daß man die Schüler, die den Film(ausgang) noch nicht kennen, beispielsweise im Rahmen einer kurzen schriftlichen Hausaufgabe dazu anregen kann, sich gedanklich mit dem weiteren Verlauf der Handlung auseinanderzusetzen und Vermutungen über denselben anzustellen (Beispiel: „Wie wird der Interessenkonflikt zwischen Neil und seinem Vater wohl ausgehen? Welche Konsequenzen kann dies haben?“). Schülerinnen und Schüler, die mit dem Film schon durch Kino oder Video vertraut sind und den Ausgang des Filmes somit kennen, könnten sich alternativ zu ihren Gefühlen bezüglich der Handlung schriftlich äußern.

Da sich bis zu dieser Szene die emotionale Betroffenheit der Schülerinnen und Schüler noch in Grenzen hält, scheint ein Einschnitt in der Präsentation an spätestens dieser Stelle (80. Minute) sinnvoll, da sich an die Präsentation des gesamten Filmes ein einfühlsames Unterrichtsgespräch zur „affektiven Verarbeitung“ anschließen sollte und die Schülerinnen und Schüler nicht mit ihren Gefühlen bis zur nächsten Unterrichtsstunde alleingelassen werden sollten.

Der zweite Teil des Films (80. - 120. Minute) sollte nach Möglichkeit in einer weiteren Doppelstunde präsentiert werden, damit sowohl für die Auswertung der Vermutungen über den weiteren Handlungsverlauf sowie für die emotionale Nachbearbeitung im Unterrichtsgespräch genügend Zeit bleiben.

Die sich an die Filmpräsentation anschließenden Unterrichtsbausteine der Unterrichtssequenz sind bezüglich ihrer Reihenfolge und ihres zeitlichen Ablaufs offener. Sie sollen in den folgenden Abschnitten vorbereitet bzw. didaktisch begründet werden. Im Abschnitt 4.4 werden sie abschließend mit Vorstellung der einsetzbaren Materialien zusammengestellt.

 

Einordnungsmöglichkeiten im Lehrplan des Unterrichtsfachs Pädagogik (4.1.1)

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über Einordnungsmöglichkeiten der Unterrichtssequenz zum ‚Club der toten Dichter’ bezüglich des Lehrplans des Unterrichtsfachs Pädagogik:

 

Tab. 1:  Curriculare Zuordnungsmöglichkeiten der Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’
Kurs­halbjahr Thema (verbindlicher thematischer Schwerpunkt) Unterthema (möglicher thematischer Aspekt) Gegenstand mit Bezug auf die Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’
11/I Individuum und Gruppe im Erziehungsprozeß Gruppe als pädagogisches Feld Cliquenstruktur und –beziehungen der Clubmitglieder; Treffen in der Höhle
Autorität als pädagogisches Problem Keating zwischen Erziehung zur Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung und Manipulation; Lehrerverhalten und Schüler-Lehrer-Beziehung
Erzieherrolle und Erzieherverhalten Erziehungspraktiken und –techniken und ihre Legitimation Keatings Unterrichtsmethoden
Das pädagogische Verhältnis Schüler-Lehrer-Beziehung zwischen Nähe und Distanz
11/II Lernen im Erziehungsprozeß Beeinflussung von Lernprozessen durch Erzieherverhalten Erziehung und/ oder Manipulation bezüglich Keatings Unterrichtsmethoden und –ziele
Die Bedeutung von Lernen für die Bewältigung von Lebenssituationen Unterricht als organisierter Lernprozeß Vergleich der Unterrichtsmethoden Keatings und seiner Kollegen (z. B. Frontalunterricht vs. ganzheitlicher Unterricht)
12/I Entwicklung- und Sozialisationsprozesse Entwicklungs- und Sozialisationsgeschehen in bestimmten gesellschaftlichen Bedingungsfeldern Mitglieder des ‚Clubs der toten Dichter’ zwischen Romantik und Realität bzw. Individualität und Institution (schulische Sozialisation)
Pädagogisches Denken und Handeln aufgrund von Erkenntnissen über Entwicklung und Sozialisation Möglichkeiten und Grenzen der Erziehung zur Selbständigkeit Möglichkeiten der Mitbestimmung in der Schule: Charlies Forderung nach Mädchen im Welton-Internat
Berufspädagogische Aspekte der Sozialisation Schüler zwischen den Erwartungen der Eltern und der Realität: Neils Wunsch, Schauspieler zu werden
12/II Erscheinungsformen gestörter Entwicklung und Sozialisation Identitätskrisen Schüler zwischen Romantik und Realismus Generationenkonflikt: Beziehung zwischen Neil und seinem Vater
Beeinträchtigende Faktoren von Entwicklung und Sozialisation und Versuche ihrer wissenschaftlichen Erfassung Situation der Familie in der modernen Industriegesellschaft Vergleich mit den 60er Jahren in den USA: Folgen autoritärer Erziehung; Eliteinternate und ihre Wirkung auf die Familie am Beispiel von Neils Familie
Schichtenspezifische Sozialisationsprobleme Erziehungsstile: Folgen extremer autoritärer Erziehung für das Individuum am Beispiel von Neil u.a.
Möglichkeiten pädagogischer Hilfen und Maßnahmen Sozial- und sonderpädagogische Institutionen, Maßnahmen und Methoden Probleme der Heimerziehung am Beispiel des Welton-Internates
13/I Normen und Ziele in Erziehungssystemen verschiedener Gesellschaften Erziehungsziele und ihre Begründung in geschlossenen und offenen Gesellschaftssystemen Vergleich: Erziehung in den USA der 60er Jahre; Eliteuniversitäten (Problem: Realitätsgehalt des Films!)
Erziehungsprobleme aufgrund des Verlusts einheitlich anerkannter Normen in pluralistischen Gesellschaften Vergleich: Generationenkonflikt am Beispiel von Neils Familie
Wirkungen unreflektierter Normen in der Erziehung Traditionalismus: Folgen extremer autoritärer Erziehung für das Individuum am Beispiel von Neil u. a.
Institutionalisierung von Erziehung – geschichtliche Bedingungen und politische Bedeutung Institutionalisierte Erziehung – Erscheinungsformen, Funktionen und Wirkungen Wandel der Schule/ Erzeihungsformen Vergleich: autoritäre Erziehung am Beispiel von Neil
Entstehung und Begründung von Normen in der bildungs­theoretischen Diskussion Interessengruppen (Eliteuniversitäten, Eltern, Staat u.a.) und Erziehungsziele des Welton-Internates (Tradition, Ehre, Disziplin, Leistung)
Pädagogische Theorien – ihr Wandel und ihre normierenden Wirkungen auf die pädagogische Praxis Pädagogische Grundprobleme und ihre Reflexion im historischen Wandel Erziehung und Mündigkeit: Vergleich: Erziehungsziele im Welton-Internat (Anpassung, Eingliederung in die Gesellschaft)
13/II Personalisation im Spannungsfeld von historischen, politischen und gesellschaftlichen Faktoren Aspekte der Identitätsfindung und Mündigkeit Rollenprobleme (Fremd- und Selbstansprüche): Mitglieder des ‚Clubs der toten Dichter’ zwischen Anpassung (z. B. Cameron) und Auflehnung (z. B. Charlie), bzw. zwischen institutionellen Anforderungen und Individualität Rollenkonflikte: Keating im Spannungsfeld zwischen Institution und Lehrerselbstverständnis

 

Dieser Einordnung wurden die Richtlinien Erziehungswissenschaft für die gymnasiale Oberstufe des Kultusministeriums NRW zugrunde gelegt (vgl. Kultusministerium NRW 1981, S. 37 - 58). Tabelle 1 zeigt: Die Inhalte des Films ‚Der Club der toten Dichter’ berühren viele Themen, die Schwerpunkte im UFP-Unterricht sind. In allen Schulhalbjahren lassen sich diesbezüglich Anknüpfungspunkt aufzeigen. Der Einsatz des Films kann somit - zumindest was seine Legitimation bezüglich des UFP-Curriculums betrifft - in jedem Kurshalbjahr im UFP-Unterricht der gymnasialen Oberstufe eingesetzt werden. Der Frage nach den Konsequenzen dieser Zuordnung der Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ zu einem bestimmten Kurshalbjahr wird im folgenden Abschnitt weiter nachgegangen.

 

‘Der Club der toten Dichter’ als Einführungs-, Vertiefungs- oder Wiederholungsthema (4.1.2)

Im vorhergehenden Abschnitt wurde aufgezeigt, daß sich eine Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ vielen Kursthemen zuordnen läßt. Die Frage nach den didaktischen Konsequenzen, die sich aus einer entsprechenden Zuordnung ergeben, soll im folgenden thematisiert werden:

Prinzipiell läßt sich die Unterrichtseinheit als Einführungsthema zu Beginn der Jahrgangsstufe 11/I, als Vertiefungsthema zu irgendeinem der in Tabelle 1 (vgl. Abschnitt 4.1.1) genannten Schwerpunkte sowie als Wiederholungsthema zu Beginn der Jahrgangsstufe 13/II konzipieren. In der folgenden Tabelle werden die Vor- und Nachteile der Unterrichtseinheit als Einführungs-, Vertiefungs- und Wiederholungsthema genannt:

Tabelle 2 zeigt: Alle drei alternativen Einsatzverfahren der Unterrichtseinheit sind mit entsprechenden Konsequenzen verbunden, die sich sowohl positiv im Sinne von Vorteilen als auch negativ und somit nachteilig auswirken können. Wenn diese Konsequenzen beim Einsatz der Unterrichtseinheit mitberücksichtigt werden, ist der Einsatz der Unterrichtseinheit als Einführungs-, Vertiefungs- wie auch Wiederholungsthema sinnvoll.

 

Tab. 2:  Vor- und Nachteile der Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ als Einführungs-, Vertiefungs- bzw. Wiederholungsthema
Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ als ... Vorteile Nachteile
Einführungsthema ·    besseres Kennenlernen der SchülerInnen erleichtert die Arbeit im Unterricht, z. B. bezüglich des Distanz-Nähe-Verhältnisses (Wie stehen die SchülerInnen dazu?), ohne dieses direkt zu thematisieren ·    in späteren Halbjahren Rückgriffmöglichkeiten im Sinne des Spiralcurriculums ·    Dialoganalyse/ hermeneutische In­haltsanalyse kann auch in anderen Kurseinheiten eingesetzt werden ·    Gefahr des zu häufigen Rückgriffs auf den Film, so daß Langeweile entsteht und die Unterrichtseinheit nachträglich negativ besetzt wird ·    Vorgriff auf inhaltliche Themen folgender Kurshalbjahre u. U. unvermeidbar ·    Gefahr einer zu oberflächlichen Behandlung der Inhalte bei der Diskussion des Films unter pädagogischen Aspekten (SchülerInnen besitzen nur wenig Hintergrundwissen)
Vertiefungsthema ·    intensive Konzentration auf einen thematischen Schwerpunkt möglich ·    Gefahr der zu intensiven Behandlung eines inhaltlichen Schwerpunkts ·    Vorgriff auf inhaltliche Themen folgender Kurshalbjahre aufgrund der inhaltlichen Komplexität des Film unvermeidbar ·    Dialoganalyse/ hermeneutische In­haltsanalyse steht für andere Kurseinheiten evtl. erst ab dieser Unterrichtseinheit zur Verfügung
Wiederholungs­thema ·    Rückgriffmöglichkeiten im Sinne des spiralförmigen Aufbaus des Curriculums nutzbar ·    Wiederholungsmöglichkeiten, bspw. durch ganzheitliche sozialisations­theoretische Betrachtung der Film-inhalte, zur Abiturvorbereitung ·    keine inhaltlichen Vorgriffe auf an­dere Kursthemen erforderlich ·    Dialoganalyse/ hermeneutische In­haltsanalyse steht erst sehr spät zur Verfügung und kann nicht im Rahmen anderer Kurseinheiten genutzt werden, wenn sie nicht schon in früheren Kurseinheiten behandelt wurde

 

M. E. bietet jedoch besonders der Einsatz der Unterrichtseinheit als Einführungsthema besondere Chancen für den Pädagogikunterricht, da auf diese Weise grundlegende Einstellungen der Schülerinnen und Schüler in bezug auf Schule und Unterricht schon früh und in indirekter Weise abgefragt werden können: Erhalten die Schülerinnen und Schüler beispielsweise die Aufgabe, Keatings Unterrichtsmethoden zu bewerten (bspw. in Form der Formulierung eines elterlichen Protestbriefs an Keating: „Warum wir nicht wünschen, daß Sie mit unseren Sohn in Ihrem Unterricht so verfahren.“ (Bosold 1991, S. 7) oder als Antwortbrief Keatings: „Warum ich so gehandelt habe.“ (ebd.), erhält der Lehrer auf unkomplizierte Weise und ohne die Schülerinnen und Schüler direkt zu fragen, Informationen über die Einstellungen und Wünsche der Schülerinnen und Schüler bezüglich Unterrichtsmethoden und dem Erziehungsstil des Lehrers, z. B. hinsichtlich des Spannungsfeldes zwischen Nähe und Distanz. Die in dieser Hausarbeit erarbeitete Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ wird daher als einführende Unterrichtseinheit konzipiert.

 

Methodische Aspekte (4.2)

In diesem Abschnitt sollen die methodischen Aspekte der Unterrichtseinheit zum ‚Club der toten Dichter’ genauer beschrieben werden. Es handelt sich dabei zum einen um Unterrichtsmethoden mit Bezug auf bestimmte Sozialformen, wie beispielsweise die Erstellung von Dialogsequenzen in Gruppenarbeit, und zum anderen um methodische Verfahrenstechniken, wie beispielsweise dem hermeneutischen Verfahren der Textinterpretation, die sowohl in der Unterrichtseinheit als auch in dieser Hausarbeit (vgl. Abschnitt 3) angewendet werden können bzw. angewandt wurden. Im folgenden werden die vier wichtigsten dieser Methoden (Interpretation von Dialogsequenzen, Filmanalyse, Unterrichtsgespräche und Literaturarbeit) kurz vorgestellt und unter didaktischen Gesichtspunkten diskutiert.

Hermeneutische Interpretation von Dialogsequenzen (4.2.1)

Die hermeneutische Interpretation von Dialogsequenzen soll im Rahmen der Unterrichtseinheit in zwei Schritten vollzogen werden:

Zunächst werden die entsprechenden Filmszenen mit Hilfe eines Videorecorders transkribiert. Dies soll in Gruppenarbeit erfolgen, um die soziale Zusammenarbeit der Schülerinnen und Schüler zu fördern und eine möglichst genaue Textwiedergabe zu gewährleisten. Den Schülerinnen und Schülern soll verdeutlicht werden, daß es zum einen darauf ankommt, die sprachlichen Dialoge so wortgetreu wie möglich festzuhalten und zum anderen, das Transkript derart mit kurzen Anmerkungen zur Handlung zu ergänzen, daß auch für Leser ohne Kenntnis des Films Verständlichkeit der Szene erreicht wird. Es sind somit neben Sprache auch Mimik und Gestik sowie Klangfarbe einzubeziehen (vgl. die Dialogsequenzen (Text 1 – 6) aus den Abschnitten 3.1 - 3.4). Ein Vergleich der Transkripte eines Dialoges, die von mehreren Schülergruppen parallel angefertigt wurden, sollte die diesbezüglichen Unterschied aufzeigen und helfen, diese Transkriptionstechnik zu verfeinern.

Im zweiten Schritt werden diese transkribierten Dialogsequenzen im Unterricht (bspw. in Unterrichtsgesprächen) ausgewertet und interpretiert. Es handelt sich dabei um ein qualitatives, hermeneutisches Verfahren, das beispielsweise auch von Combe/Helsper zur Analyse des Schul- und Unterrichtsgeschehens angewandt wurde (vgl. Combe/Helsper 1994). Im Unterricht sowie in dieser Hausarbeit ist bzw. war eine derart tiefgehende Interpretation, wie sie bezüglich ihrer SchülerInnen-Interviews Combe/Helsper vollzogen haben, jedoch nicht oder nur ansatzweise möglich. Mit anderen Worten: Der Schwerpunkt in der Unterrichtseinheit liegt eher im Erlernen der Methoden (Transkription, Interpretation) als in der Tiefe der Interpretation.

Filmanalyse (4.2.2)

Als zweiter methodischer Aspekt soll hier nur kurz auf die Methode der Filmanalyse in Ansätzen - oder eher ‚medienpädagogischen Filmbetrachtung’ - eingegangen werden. Die Ergebnisse einer derartigen Filmbetrachtung sowie eine genaue Beschreibung der methodischen Vorgehensweise wurden bereits in Abschnitt 2.2 geliefert (vgl. auch Schreckenberg 1997). Die Filmbetrachtung kann derart in den Unterricht eingebunden werden, daß zunächst im Unterrichtsgespräch allgemein über formale Aspekte des Films gesprochen wird. Dabei wird besonderer Wert auf Effekte gelegt, die den Zuschauer unbewußt beeinflussen (vgl. Subtexte ‚Licht‘, ‚Natur‘ und ‚Raum‘ unter Punkt 2.2). Um Vermutungen der Schülerinnen und Schüler diesbezüglich zu bestätigen, zu widerlegen oder zu vertiefen, sollten die entsprechenden Szenen erneut angeschaut und analysiert werden. Eine alternative oder unterstützende Vorgehensweise kann darin bestehen, ausgedruckte Standbilder des Films (vgl. Abbildungen in dieser Hausarbeit) auszuwerten (wie bspw. in Abschnitt 2.2). Im Tafelbild können die Ergebnisse dieser Filmbetrachtung (nach Subtexten gegliedert) festgehalten werden.

Reflexionsmöglichkeiten mit Hilfe von Unterrichtsgesprächen (4.2.3)

Sowohl direkt nach Präsentation des Films wie auch bei der Behandlung bzw. Vertiefung einzelner inhaltlicher Filmthemen sowie bei der pädagogischen Interpretation derselben kann auf Unterrichtsgespräche nicht verzichtet werden. Dabei können sich Möglichkeiten zur Selbstreflexion wie auch zur gemeinsamen Reflexion ergeben: Der Film kann in starkem Maße Betroffenheit und emotionale Reaktionen auslösen, da er die Schülerinnen und Schüler zugleich bezüglich mehrerer Rollenerwartungen anspricht: Zum einen befinden sie sich selbst in der Rolle als Schülerinnen bzw. Schülern, zum anderen in der Rolle als Tochter bzw. Sohn, die zugleich Anforderungen ihrer Eltern sowie der Institution Schule erfüllen müssen. Die Schülerinnen und Schüler sollen diesbezüglich ermuntert werden, sich beispielsweise in die Rolle von Neil hineinzuversetzen, wodurch zugleich ihre Fähigkeiten zur Empathie und Perspektivübernahme trainiert werden. Selbstreflexion erfolgt in dieser Situation beispielsweise bezüglich der Frage, wie sie sich in einer derart autoritären Familie wie Neils fühlen würden, bzw. wie sie sich als Schülerin oder Schüler der Welton-Akademie verhalten würden. Auch die Frage nach der Beurteilung von Keatings Unterrichtsmethoden setzt diese Fähigkeiten auf Schülerseite voraus. Nach kurzen Phasen des Nachdenkens und der Selbstreflexion können die Ergebnisse derselben in Unterrichtsgespräche eingebracht und gemeinsam ausgewertet werden.

Literaturarbeit (4.2.4)

Unter Literaturarbeit soll in diesem Zusammenhang der Umgang mit Sekundärliteratur zum ‚Club der toten Dichter’ verstanden werden. Zum einen können verschiedene Passagen oder die gesamte Filmhandlung im Buch zum Film nachgelesen werden. Aus oben beschriebenen Gründen wird von dieser Möglichkeit bei der Entwicklung dieser Unterrichtseinheit jedoch kein Gebrauch gemacht (vgl. Abschnitt 2). Zum anderen können einige der in Abschnitt 2.3 vorgestellten Sekundärtexte zum Film in sinnvoller Weise auch im Pädagogikunterricht eingesetzt werden. Diesbezüglich soll in der hier vorgestellten Unterrichtseinheit ein Auszug eines englischsprachigen Sekundärtextes einbezogen werden (vgl. Baker o. J., sowie Abschnitt 4.4.5). Diese kurze, z. T. provokative Interpretation des Films wurde anscheinend von einer College-Absolventin im Internet veröffentlicht und analysiert die Charaktere des Films anhand der selbst entwickelten Kategorien ‚Romantic’, ‚Realist’ und Anti-romantic romanticist’, eine zugegebenermaßen eigentümliche aber doch informative Interpretation, durch die das Spannungsverhältnis Keatings wie auch der Schüler der Welton-Akademie zwischen institutionellen Anforderungen und Individualität tiefergehend beschrieben wird. Im Vordergrund der Betrachtung soll dabei die Fragestellung stehen, in wieweit diese Interpretation dem Film gerecht wird und ob sie dem Anspruch einer zentralen Interpretationslinie nahekommt. Da aus dem Textauszug die Verfasserin desselben nicht klar hervorgeht, erscheint es sinnvoll, nach der Einschätzung der Schülerinnen und Schüler bezüglich des Interpretationswertes dieses Sekundärtextes Vermutungen über die Quelle anstellen zu lassen, wobei wohl eher pädagogische Fachwissenschaftler als Laien als Verfasser angenommen werden dürften, und anschließend die Quelle zu benennen. Der Lerneffekt diesbezüglich liegt zum einen darin, bei Texten grundsätzlich die Frage nach dem Verfasser bzw. der Verfasserin nicht zu übersehen, sowie zum anderen zu verdeutlichen, wie schnell falsche Annahmen in gedruckte Texte hineinprojiziert werden können. Die interessante Parallele zum ‚Club der toten Dichter’ - wenn auch in umgekehrter Richtung - liegt darin, daß im Film ein literarischer Fachwissenschaftler von Keating aufgrund seines Einordnungs- und Bewertungsinstruments für Lyrik als „Fachidiot“ entlarvt wird.

Mit der Beschreibung dieses vierten methodischen Aspektes soll die Darstellung derselben an dieser Stelle abgeschlossen werden, ohne jedoch Anspruch auf Vollständigkeit zur erheben. In die entwickelte Unterrichtseinheit fließen weitere Unterrichtsmethoden ein, wie beispielsweise das Rollenspiel, die in den entsprechenden Abschnitten unter Punkt 4.4 dargestellt werden.



 

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